Geschichte des Wilsdruffer Schmalspurnetzes
Für 86 Jahre gehörte die Schmalspurbahn als wichtiges Transportmittel zum Alltag der Menschen in Mittelsachsen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Eisenbahnnetz nach und nach um Nebenstrecken vervollständigt um möglichst vielen Städten und Gemeinden die Chance zum weiteren wirtschaftlichen Aufschwung zu bieten. Teilweise kämpften die Regionalpolitiker der damaligen Zeit jahre- oder sogar jahrzehntelang um den ersehnten Bahnanschluss.
Die Schmalspurbahn wurde damals als kostengünstige Möglichkeit angesehen, um mit vertretbarem Bau- und Instandhaltungsaufwand auch schwächere Verkehrsströme abzudecken und die Trassierung der Bahnlinie auch in topografisch anspruchsvollerem Gelände ohne aufwändige Bauwerke wie große Tunnel oder Brücken zu ermöglichen.
Den damaligen Möglichkeiten entsprechend wurden die Anlagen zunächst einfach und schnell errichtet und im Laufe der Zeit bis etwa zum zweiten Weltkrieg nachträglich an die gestiegenden Anforderungen angepasst. Nach dem zweiten Weltkrieg erlebten die Bahnlinien nochmals eine Blütezeit. Beginnend ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre standen auch im Osten Deutschland zunehmend Kraftfahrzeuge und Motorräder als Alternative zur Verfügung, gleichzeitig hätte der Weiterbetrieb der Strecken erhebliche Investitionen zur Modernisierung von Infrastruktur und Fahrzeugen erfordert, ohne das eine signifikante Steigerung des Transportaufkommens auf den Schmalspurstrecken absehbar war. Vor diesem Hintergrund wurde dem damaligen Zeitgeist entsprechend entschieden, auch die Strecken des Wilsdruffer Netzes stillzulegen.
Nachfolgend werden die wesentlichsten Meilensteine in chronologischer Reihenfolge aufgeführt, um ihnen einen tieferen Einblick in die Entwicklung des Wilsdruffer Schmalspurnetzes zu geben.
Ja mehr als zwanzig Jahre sind verflossen seit wir gehofft auf Eisenbahn.
Daß wir dem Bahnnetz angeschlossen, dem Dampfroß froh entgegensahn.
Daß uns vereine das eiserne Band mit Nähe und Ferne, mit jeglichem Land...
Ein Bahnanschluss für Wilsdruff
01.06.1863
Gründung des Eisenbahn-Komitees zu Wilsdruff. In den darauffolgenden Monaten wird der Anschluss Wilsdruffs an eine zu bauende regelspurige Bahnverbindung Dresden - Döbeln forciert.
1868
Mit der Eröffnung der von der Leipzig Dresdner Eisenbahn Compagnie betriebenen Strecke Döbeln - Rosswein - Nossen - Meissen sind die Bemühungen zum Anschluss Wilsdruffs zunächst gescheitert.
2. März 1880
Die Schmalspurbahn Wilkau-Haßlau - Kirchberg wird als Prototyp der sächsischen Schmalspurbahnen mit 750 mm Spurweite eröffnet.
01. November 1882
Eröffnung der Schmalspurstrecke Hainsberg - Schmiedeberg als erste Schmalspurstrecke der Region.
4. Februar 1884
Genehmigung der Mittel für den Bau einer Schmalspurbahn von Potschappel nach Wilsdruff.
27. Juli 1885
Erlass einer Verordnung zum Bau der Strecke Potschappel - Wilsdruff. Im September des Jahres beginnt der Bahnbau. Es werden bis zu 390 Arbeiter eingesetzt.
09. August 1886
Die erste Baulokomotive befährt die Gesamtstrecke.
31.September 1886
Feierliche Eröffnung des Bahnbetriebes Potschappel - Wilsdruff.
01.Oktober 1886
Aufnahme des planmäßigen Zugbetriebes auf der Strecke Potschappel - Wilsdruff. Zunächst verkehren drei Zugpaare.
1894
Die Schmalspurbahn befördert 131.000 Reisende. Von und nach Wilsdruff werden etwa 14.000t Güter transportiert.
1896
Aufnahme des Rollbockbetriebes zum Transport regelspuriger Güterwagen. Die Rollböcke werden ab etwa 1910 durch Rollwagen abgelöst.
Mit Volldampf nach Frauenstein
März 1865
Erste Ideen für eine Strecke Klingenberg - Frauenstein - Dux (Böhmen)
1868
Bittschrift des Stadtgemeinderates Frauenstein an den sächsischen Landtag
1895
Vorlage des Projektes für die Bahnlinie Klingenberg - Frauenstein
27. Februar 1896
Genehmigung des Bahnbaus durch den sächsischen Landtag
Juli 1897
Baubeginn der Bahnlinie Klingenberg-Colmnitz - Frauenstein
1898
bis zu 522 Arbeiter werden beim Bahnbau eingesetzt
14.September 1898
Feierliche Einweihung der Bahnlinie Klingenberg-Colmnitz - Frauenstein.
1899
Es werden 134.000 Reisende befördert, danach sinken zunächst die Fahrgastzahlen
1913
Ca. 103.000 Reisende pro Jahr benutzen die Schmalspurbahn.
Sei's auch nur ein Bähnle geworden, so sei's doch immer noch besser als gar kein's.
Auf nach Mohorn und Nossen
15. April 1896
Verordnung über den Bau einer Schmalspurbahn von Wilsdruff über Mohorn nach Nossen durch den sächsischen Landtag
März 1898
Beginn der Bauarbeiten
Mai 1898
1272 Arbeiter werden an der Strecke
31. Januar 1899
Eröffnung der 27,9 km langen Gesamtstrecke Wilsdruff - Nossen
... Das Bahnprojekt Wilsdruff - Gärtitz hat in und außer dem Landtage über die Gemüter durch Jahre hindurch beinahe erhitzt. Die Großstadtbevölkerung und deren Vertreter gönnten es förmlich einer rein ländlichen Gegend nicht...
Die Gründung der WG-Linie
8. März 1900
Landtag beschließt den Bau der Schmalspurbahn Wilsdruff - Gärtitz mit den drei Streckenästen Wilsdruff - Garsebach - Meißen Triebischtal, Garsebach-Löthain-Mertitz Gabelstelle - Lommatzsch und Mertitz Gabelstelle - Gärtitz.
1902
Petition der Stadt Lommatzsch und weiterer 30 Gemeinden zur Anbindung an die geplante Linie Wilsdruff - Gärtitz
9. April 1907
Beginn des Bahnbaues Wilsdruff - Meißen - Lommatzsch
13. April 1909
Bauzugverkehr auf dem Abschnitt Meißen - Taubenheim
19. April 1909
Bauzugverkehr auf dem Abschnitt Meißen - Löthain
1. Oktober 1909
Eröffnung der Teilstrecke Wilsdruff - Meißen - Löthain
30. November 1909
Gründung der Bahnverwalterei (Bvw) Lommatzsch. Ein sogenannter Bahnverwalter regelte bei untergeordneten Bahnstrecken, zumeist Schmalspurbahnen, zahlreiche wesentlichen Aufgaben vor Ort. Neben der Instandhaltung und Überwachung der gesamten Anlagen, unterstand auch das Personal der Bahnstrecke und der Betriebsdienst samt Fahrzeugeinsatz der Bahnverwalterei.
1913
357.123 Personen, 523 Hunde und 122.536 t Güter werden in diesem Jahr auf der WG-Linie befördert.
Die teuerste Schmalspurbahn Sachsens
8. März 1900
Erste Petition für eine schmalspurige Verbindungsbahn von Klingenberg-Colmnitz zur im Bau befindlichen Strecke Wilsdruff-Nossen
1906-12
Erste planerische und dann technische Vorarbeiten
13. Mai 1912
Bewilligung des Projektes durch den sächsischen Landtag
28. Januar 1915
Nach kriegsbedingten Verzögerungen Baubeginn im Bereich des Tharandter Waldes. Die Arbeiten werden jedoch noch 1915 eingestellt und erst nach Kriegsende wieder aufgenommen
1920
Abschluss der Bahnhofserweiterung im künftigen Abzweigbahnhof Oberdittmannsdorf
1. Oktober 1921
Eröffnung der Teilstrecke Klingenberg-Colmnitz - Naundorf
1. November 1921
Eröffnung der Teilstrecke Naundorf - Niederschöna
August 1923
Inflationsbedingt wird die Rekordbausumme von 1 066 770 000 000 Mark erreicht...
1. November 1923
Eröffnung der Teilstrecke Niederschöna - Oberdittmannsdorf. Es verkehren täglich zwei Zugpaare.
Auf der Schmalspurlinie Wilsdruff - Freital mehren sich die Eisenbahnunfälle derart, dass eine gewisse Beängstigung unter der Bevölkerung Platz greift...
Die Verkehrsleistungen der Bahnhöfe Wilsdruff, Kesselsdorf und der Haltestelle Grumbach seit 1933 beweisen eindeutig die steigende Entwicklung...
Möge er fahren als Beweis für unseren friedlichen Aufbau..
Da der Getriebewirkungsgrad der V 36 K noch nicht bekannt ist sind wir in der Kupplung von der Leistungskennziffer der VI-K-Lok ausgegangen...
Reichsbahnzeit
24. März 1924
Wegen schlechten Oberbaus wird für den Abschnitt Kesselsdorf - Grumbach Schrittgeschwindigkeit angeordnet. Bis Ende 1925 wird schließlich der gesamte Oberbau der Linie Potschappel - Nossen durchgearbeitet und für die VIK-Loks verstärkt.
1927-29
Bau des Pumpspeicherwerkes Niederwartha. Für die umfangreichen Baustofftransporte entsteht in Wilsdruff ein Umladebahnhof, von wo die Güter über eine ca. 8 km lange Feldbahn zur Baustelle transportiert werden.
1935
Das Wilsdruffer Schmalspurnetz hat den größen Anteil der Streckenauslastung aller sächsischen Schmalspurbahnen. Ein Grund dafür sind die umfangreichen Materialtransporte für den Reichsautobahnbau.
4. November 1935
8.35 Uhr Bruch der Wurgwitzer Eisenbahnbrücke während der Überfahrt eines Güterzuges mit 99 713 und 99 704. Die Brücke wird innerhalb von zwei Monaten neu gebaut.
1935-39
Der regelspurige Ausbau des Abschnitts Potschappel - Wilsdruff wird forciert. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhindert die Ausführung des Projektes.
Frühjahr 1945
Fliegerangriffe auf einen Zug zwischen Wilsdruff und Meißen sowie zwischen Frauenstein und Turmberg. Der Bahnverkehr kommt bis Anfang Mai fast vollständig zum Erliegen, wird jedoch rasch wieder aufgenommen. So verkehrten beispielsweise bereits am 23. Mai wieder Züge zwischen Wilsdruff und Meißen.
07. Januar 1949
Lok 99 689 entgleist mit einem von Löthain kommenden Güterzug auf dem Robschützer Viadukt. Das Zugpersonal überlebt den Sturz des Zuges von der Brücke nicht.
29. August 1951
Feierliche Übergabe des VT137 600. Der scherzhaft "Lindwurm" oder "Blechzug genannte Dieseltriebzug wurde vom Bw Dresden Pieschen aus einem lettischen Beutetriebwagen aufgebaut. Der Triebzug wurde am 08.08. 1954 nach Zittau abgegeben.
1954
Neubau der Saubachtalbrücke in Wilsdruff. Reisezüge aus Meißen und Nossen wenden in Höhe des Einfahrsignals Wilsdruff in einem Behelfsbahnhof.
Dezember 1960
Die erste Diesellokomotive V 36 4801 gelangt nach Wilsdruff. Ursprünglich war geplant, das Wilsdruffer Netz mit 12 Maschinen komplett zu verdieseln. Die Erprobung wurde aber bereits 1961 eingestellt.
1962
Die umfassende Rekonstruktion der Dampflokomotiven der Gattung IVK beginnt.
1964
Die umfassende Rekonstruktion der Dampflokomotiven der Gattung VIK beginnt.
Ich nehme an, dass wir uns darin einig sind, dass die Aufrechterhaltung der Strecke Freital-Potschappel - Nossen den Einsatz hoher ökonomischer und finanzieller Mittel erfordert die in keinem Verhältnis zum Bedarf und zur Inanspruchnahme dieser Schmalspurstrecke steht.
Ende auf Raten
1964
Beschluss des Ministerrates der DDR zur Stilllegung von 70% der Schmalspurstrecken in der DDR bis 1970.
21. Mai 1966
Einstellung des Reiseverkehrs auf den Strecken Meißen Triebischtal - Löthain und Garsebach - Wilsdruff.
29. Juli 1966
Einstellung des Reiseverkehrs Döbeln Hbf - Döbeln Gärtitz
29. Juli 1966
Letzte Güterzüge von Meißen Jaspisstraße nach Löthain und Wilsdruff.
31. Mai 1969
Letzter Personenzug Döbeln-Gärtitz - Kleinmockritz
3. Januar 1970
Letzter Zug Lommatzsch - Kleinmockritz
1970/71
Abbau der Gleisanlagen af den Strecken Meißen Triebischtal - Ullendorf-Röhrsdorf und Garsebach - Löthain.
20. Oktober 1971
Mit Entgleisung der 99 715 bei der Einfahrt in den Bahnhof Oberbobritzsch endet der planmäge Betrieb auf der Strecke Klingenberg-Colmnitz - Frauenstein.
Januar 1972
Einstellung des Güterverkehrs zwischen Freital-Potschappel und Mohorn.
27. Mai 1972
Letzter Reisezug Freital-Potschappel - Nossen.
28. Oktober 1972
Letzter Zug Lommatzsch - Löthain.
1973/74
Abbau der Strecke Lommatzsch - Löthain
Dezember 1973
Letzter Übergabezug nach Siebenlehn
01. Januar 1974
Buchmäßige Stilllegung der Strecke Freital-Potschappel - Nossen
1973-1978
Abbau der verbliebenen Gleisanlagen (außer Bf. Freital-Potschappel)